Es war einmal ein Gespenst, das lebte hinter einem Bild, das im Doppelrathaus hing. Jedes Mal, wenn die Turmuhr null Uhr anzeigte, flog das Gespenst durch die langen Flure vom Doppelrathaus, durch die dicken Wände hinaus zum Neumarkt, bog zum Markt ab.

Ein paar junge Frauen gingen über den Rathausplatz. „Ei, die sind noch wach, jetzt sollen sie zittern. Huu!“ „Ah, schaut, ein Geist!“, rief eine junge Frau. Sie wollte davoneilen, konnte aber ihre Beine vor Schreck nicht bewegen. Alle sahen das Gespenst, rühren konnten sie sich aber nicht, sie zitterten am ganzen Körper. Erst als das Gespenst ganz nah war, konnten sie ihre Beine wieder bewegen und sausten schreiend davon.

Lachend flog das Gespenst die Innere Klosterstraße entlang. Es sah sich kurz um, aus einem Fenster strahlte noch Licht. Das Gespenst flog in die Wohnung, setzte sich aufs Sofa zu dem alten Herrn. Der merkte nichts, schaute in Ruhe einen Film. Immer wieder zupfte das Gespenst an der Kleidung vom alten Herrn, nicht doll, dann kräftiger. Da hob der Alte seinen Arm, traf das Gespenst. „Wuhuuu!“, rief das Gespenst, erschrocken floh der alte Herr in ein anderes Zimmer. Vor lauter Freude, jemanden erschreckt zu haben, flog das
Gespenst zurück ins Doppelrathaus, versteckte sich hinter dem staubigen Bild vom ehemaligen Bürgermeister. Früh am Morgen wurde das Bild abgestaubt. Das Gespenst musste sein Versteck verlassen, zog fort in eine andere Stadt.

© Heiko Wohlgemuth